Gerade in Zeiten, in denen Krisen und große Heraus­for­de­run­gen an die Türen der Orga­ni­sa­tio­nen klop­fen, ist es ein natür­li­ches Bedürf­nis von Menschen, nach Stabi­li­tät, Orien­tie­rung und Klar­heit zu fragen. In Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­pro­zes­sen, die meist die eben genann­ten Phäno­mene als gern­ge­se­hene Gründe für einen Start­punkt anneh­men, ist es dann essen­zi­ell, nicht zu vorei­lig eine Antwort zu liefern. Wich­tig ist es eher, gerade wenn die Impulse zu schnel­ler Reak­tion, einfa­chen Lösun­gen und Quick­Wins einla­den, genau das Gegen­teil zu tun – nämlich zu beob­ach­ten, zu verste­hen und gege­be­nen­falls sogar noch mehr von dieser Komple­xi­tät einzu­la­den, um dabei wirk­li­che Alter­na­ti­ven mitein­an­der in Verhand­lung zu bringen.

Umgang mit Komplexität

Dies errei­chen wir meist über Reso­nanz­grup­pen, die wie eine Art rhyth­mus­ge­bende Instanz die Orga­ni­sa­tion zum Schwin­gen brin­gen soll. Multiplikator*innen, verschie­dene Rollen und Entschei­dungs­funk­tio­nen sind Teil davon und disku­tie­ren im Klei­nen die Themen der Gesamt­or­ga­ni­sa­tion. Sie geben Impulse, co-konstru­ie­ren mögli­che Szena­rien und sind dann auch dieje­ni­gen, die sich darüber hinaus vernetzen. 

Wie viel Parti­zi­pa­tion kann die Orga­ni­sa­tion in Zeiten von Krisen aushal­ten? Wie lange schafft sie es, die Unge­wiss­heit einer ausblei­ben­den Entschei­dung zu tragen? Wie gut schaf­fen es die Menschen im Prozess, ihre eige­nen Ängste zu regu­lie­ren und konstruk­tiv im Verhan­deln zu bleiben?

In Situa­tio­nen großer Unsi­cher­heit wird häufig die Stra­te­gie als ein Stabi­li­sa­tor heran­ge­zo­gen. Ist diese nicht vorhan­den wird im glei­chen Atem­zug auch ein Stra­te­gie­ent­wick­lungs­pro­zess in den Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­pro­zess inte­griert, um darüber Ausrich­tung und Zukunfts­bil­der beschreib­bar zu machen. 

Stra­te­gie als Stabilisator

Auch hier ist es für uns zunächst wich­ti­ger, den Prozess der Entste­hung und die Akteure und ihre Einsatz­mo­mente zu orches­trie­ren, anstatt zu schnell in eine Kompro­miss­lö­sung zu gehen, die im Endef­fekt nur in irgend­wel­che Schub­la­den wandert und rein gar nichts mit dem Arbeits­all­tag vieler Mitar­bei­ten­den zu tun hat.

Stra­te­gie beschreibt ein Morgen und in welcher Form sich dieses Morgen einstel­len kann. Stra­te­gie ist immer gut, wenn man sie hat. Noch besser, wenn sie auch einen Unter­schied und Umset­zung wahr­schein­lich macht. Und bei allem ist es sowieso unab­ding­bar über sie zu spre­chen. Sie erfüllt für unter­schied­li­che Menschen unter­schied­li­che Funk­tio­nen: sie schafft vermeint­li­che Klar­heit, man kann sich an ihr reiben, man ihr Fehlen bemän­geln und man kann sich fragen, wie in aller Welt denn bitte diese Stra­te­gie umge­setzt werden soll?

Stra­te­gie — aber wie?

Die Entwick­lung einer Stra­te­gie ist auf jeden Fall ein Prozess, an dem sich Menschen in der Regel gerne betei­li­gen, sei es aus tatsäch­li­chem Inter­esse daran, die Zukunft der Orga­ni­sa­tion gestal­ten zu können, oder weil mit Stra­te­gie­ar­beit immer auch ein biss­chen (und manch­mal auch ganz viel) Status und Glory verbun­den ist. 

Je nach kultu­rel­ler Kapa­zi­tät der Orga­ni­sa­tion empfiehlt sich ein Prozess, der viele Teile der Orga­ni­sa­tion inte­griert, entwe­der durch akti­ves Einbe­zie­hen in die Entwick­lung oder durch die Inte­gra­tion in eine feed­back­ähn­li­che Schlei­fen­ar­beit. Es empfiehlt sich auch, das Ganze nicht hinter verschlos­se­nen Türen statt­fin­den zu lassen, sondern auf offe­ner Bühne der Kommu­ni­ka­tion, in der die Nach­richt als Produkt zwischen Menschen entste­hen darf und nicht durch ledig­lich einen Sender an die Mann­schaft verteilt wird. 

Ein Fron­tal­an­griff

Was nicht genug hervor­ge­ho­ben werden kann: Stra­te­gie ist immer ein Fron­tal­an­griff auf den Status Quo (Link zur Podcast­folge) – sowohl der Orga­ni­sa­tion als auch ihrer Mitglie­der. Stra­te­gie schlägt struk­tu­relle Neuord­nun­gen vor, spricht von neuen Geschäfts­fel­dern und Produk­ten und hinter­fragt die aktu­el­len Formen der Zusammenarbeit. 

Sie ist eine manch­mal liebe­volle, manch­mal über­for­dernde, Auffor­de­rung, das Heute zu hinter­fra­gen und das Morgen zu etablieren. 

Sie ist nichts ande­res als ein bewusst einge­for­der­ter Konflikt. Ein Konflikt, der vorher so nicht da war, sondern erst durch die Beob­ach­tung des Status Quo und den daraus abge­lei­te­ten zukünf­ti­gen Akti­vi­tä­ten gebo­ren wurde und damit ans Licht der Orga­ni­sa­tion kommt. Liebe Leser*innen, bemerkt ihr die vermeint­li­che „Falle“?

Eine natür­li­che Tendenz in Orga­ni­sa­tio­nen ist es ja meist, Konflikte entwe­der nicht zu benen­nen, um ihnen keine Bühne zu geben und sie somit in ihrer Exis­tenz zu igno­rie­ren. Oder wenn dies nicht gelingt, den Betei­lig­ten zu mehr Entspan­nung und dem schnellst­mög­li­chen Lösen im 4‑Au­gen-Gespräch zu raten. Aber dabei bitte die Emotio­nen raus­las­sen und ledig­lich auf einer Sach­ebene mitein­an­der die Dinge bespre­chen. Und wenn dies eben­falls nicht fruch­tet, dann versucht man mit großen Work­arounds, Lessons-Lear­ned-Meetings und Maßnah­men, einen zukünf­ti­gen Ausbruch zu verhindern.

Mit der Stra­te­gie­ar­beit laden sich nun die Orga­ni­sa­tio­nen expli­zit, jedoch ohne es zu wissen, einen oder sogar mehrere Konflikte ein. Sie bege­ben sich dabei in Zustände der Innsta­bi­li­tät und Unsi­cher­heit, mit der Erwar­tung, dass allein das in der Stra­te­gie aufge­zeigte und mühsam erar­bei­tete Bild von der Zukunft genug sei, die Stabi­li­tät wieder herzu­stel­len. Und das jedes Mal.

Welche Kraft, aber auch welche Schat­ten­sei­ten diese Form von Konflikt mit sich bringt, beschrei­ben wir im Teil 2.