Die Forma­tion ließ uns schon vor 200.000 Jahren gleich­mä­ßig an Feuern wärmen und dann soziale Struk­tu­ren aufbauen. Was wäre, wenn wir nun diesen siche­ren Raum auch zum Bewe­gen unse­rer Konflikte nutzen würden? 

Domi­nic Barter hat das gemacht. Indem er 1994 das Konzept der Resto­ra­tive Circles in Brasi­lien entwi­ckelt hat. Seit­dem zeigt er damit andere Wege zu Eigen­ver­ant­wor­tung in Konflik­ten auf. Die ersten Anwen­dun­gen fanden in den brasi­lia­ni­schen Fave­las statt. Durch die über­füll­ten Gefäng­nisse brauchte es eine Alter­na­tive, um mit dem Thema Schul­dige und Strafe umzu­ge­hen. Jugend­li­che Straf­tä­ter erhiel­ten eine zweite Chance und das Justiz­sys­tem wurde entlasten.

Er lädt dabei alle Betei­lig­ten in einen Dialog­kreis ein und lässt Hier­ar­chie und Schuld durch Betei­ligte und ihre Absich­ten des Handelns erset­zen. Es stellt sich wie ein Para­dig­men­wech­sel dar.

Noch­mal einen Schritt zurück – Was ist so schlimm an vorhan­de­nen Konfliktmodellen?

Heraus­for­de­run­gen und Konflikte werden häufig redu­ziert auf zwei oder drei Konflikt­par­teien, um es „nicht so aufzu­bau­schen“, „es schlank zu lösen.“ Das führt dann dazu, dass der Konflikt dann ledig­lich zwischen diesen Parteien ausge­tra­gen wird. Ziel ist es sowieso häufig, den Konflikt zu besänf­ti­gen oder ihn zu lösen. Dies geschieht sehr oft, wenn die Schuld­frage erfolg­reich auf eine der Parteien über­tra­gen werden konnte. Es folgt Mitge­fühl für die Betrof­fe­nen und Strafe oder Ausschluss für die Schuldigen. 

Schaf­fen die Parteien es nicht allein, wird entwe­der die Hier­ar­chie oder eine andere dritte Instanz hinzu­ge­zo­gen, die helfen soll, den Konflikt zu lösen. Kaum ist die Ener­gie der gefun­de­nen Kompro­misse oder Verän­de­rungs­ver­spre­chen verpufft, tauchen die Konflikte bei der nächs­ten schwie­ri­gen Situa­tion wieder auf. 

Den Konflikt mit syste­mi­scher Brille betrachten

Ein Unter­schied dazu ist also, statt nur die vermeint­li­chen Haupt­ak­teure in die Klärung der Situa­tion einzu­be­zie­hen, auch alle ande­ren Betei­lig­ten, die durch den Konflikt Stör­ge­fühle haben, von dem Verhal­ten tangiert werden, Auswir­kun­gen des Konflik­tes spüren oder einfach durch ihre pure Anwe­sen­heit ein Teil der Konflikt­dy­na­mik sind, mit zu berück­sich­ti­gen. Nicht über­ein­an­der spre­chen, sondern mitein­an­der, ist hier die Devise. 

Auf einmal lösen sich Schuld und Schul­dige auf und es werden Betei­ligte, weil es mehr um das Verste­hen des Verhal­tens der einzel­nen Perso­nen und ihre Beweg­gründe geht, anstatt um Stra­fen. Auch spie­len auf einmal Hier­ar­chien keine Rolle mehr, weil sich alle in ihren eige­nen Hand­lungs­ab­sich­ten tref­fen, die für die jewei­lige Person die posi­tive Absicht zur Erfül­lung eines Bedürf­nis­ses darstellt. Wenn ich anfange, zu verste­hen, was die Absich­ten und Gedan­ken­gänge der ande­ren sind, kann ich auch anfan­gen, meine eigene Bewer­tung zu reflek­tie­ren. Dann können wirk­lich trag­fä­hige, lang­fris­tige und gemein­same Lösun­gen für Probleme gefun­den werden. 

Resto­ra­tive Circle — Ein Konflikt­mo­dell in Kreisform

Pre Circle

  • Eine Person löst den Prozess aus, weil sie einen Konflikt bewe­gen möchte.
  • Diese Person erhält ein soge­nann­tes Vorge­spräch, um ihre vielen Gedan­ken und meist jahre­lan­gen Erleb­nisse zu sortie­ren. Hier­bei geht es nicht darum, die komplette Geschichte wieder­zu­ge­ben, sondern den Schein­wer­fer auf die eine noch leben­dige Situa­tion zu rich­ten und dabei die eige­nen Emotio­nen darin zu sortieren.
  • Dieses Vorge­spräch erhal­ten alle dieje­ni­gen, die vorder­grün­dig an der Konflikt­dy­na­mik betei­ligt sind.

Main Circle

  • Es werden alle dieje­ni­gen, die im Konflikt­sys­tem betei­ligt sind, einge­la­den, in den Kreis zu kommen. Durch klare Frage­tech­ni­ken wird ein wirk­li­ches Verständ­nis zwischen den betei­lig­ten Perso­nen beglei­tet und eine Basis geschaf­fen, auf der eine wirk­li­che Bewe­gung oder Verän­de­rung des Konflikts möglich wird. Die Geschwin­dig­keit der Kommu­ni­ka­tion wird durch ein stän­di­ges Über­prü­fen der gespro­che­nen Worte durch das Gegen­über dras­tisch verringert. 
  • Die Eigen­ver­ant­wor­tung wird geschärft, weil die Verhand­lung im Konflikt­sys­tem bleibt und nicht exter­na­li­siert wird.
  • Zuletzt gibt es die Möglich­keit einen Hand­lungs­plan zu erstel­len, um die nächs­ten Schritte, die sich aus dem Prozess erge­ben haben, schrift­lich fest­zu­hal­ten. Damit werden die Erkennt­nisse in das System inte­griert, um daraus zu lernen und neues Verhal­ten aufzubauen.

Post Circle

Nach ca. 6 bis 8 Wochen kommen alle erneut zusam­men und schauen, was sich seit dem Mein Circle für sie erge­ben und geän­dert hat. Ein posi­ti­ver Blick auf jede Bewe­gung des Konflik­tes wird aner­kannt und wertgeschätzt.

Anwen­dungs­ge­biete

Da sich für die Resto­ra­tive Circles Konflikte syste­misch darstel­len, gestal­tet sich die Anwen­dung über­all da, wo Menschen einen inne­ren Konflikt haben, den sie nach außen tragen, sich durch das Verhal­ten eines ande­ren Menschen belas­tet fühlen, oder in Bezie­hun­gen, die durch fami­liäre oder orga­ni­sa­tio­nale Struk­tu­ren fest­ste­hen und damit lang­jäh­rige Dyna­mi­ken entwi­ckelt haben.