Braucht es da überhaupt noch eine Definition?

Mensch oder Maschine?
Der Grundzustand unseres menschlichen Gehirns ist nicht Konzentration, sondern Zerstreuung.
Das haben wir der Evolution zu verdanken, die uns damit vor Gefahren geschützt hat. Es war uns möglich, trotz dem Erledigen einer Aufgabe, gewahr und aufmerksam für unsere Umgebung zu sein, um im Fall einer Bedrohung, reagieren zu können. Das ist ein Grund, warum es die Menschheit heute noch gibt. Was das für die Wirtschaft in Zahlen heißt, zeigt eine Studie der University of California, die das Arbeiten in Großraumbüros untersuchte. Die Unterbrechung der Arbeit kostet demnach die amerikanische Wirtschaft jährlich ungefähr 600 Milliarden Dollar, was 15-mal so viel Geld ist wie der reichste Mensch der Welt überhaupt besitzt. Und da spreche ich noch nicht davon, was es für erhebliche Nachteile hat und Energie raubt für die Menschen, die dem ausgesetzt sind.
Das Problem sind nicht die Störungen selbst, sondern die Zeit, die es braucht, um danach wieder in die Arbeit rein zu kommen, nach einem Anruf oder einer Mail, die anpingt. Es zeigt sich, dass Menschen in einem Büroumfeld im Durchschnitt nur gerade mal 11 Minuten am Stück den Fokus halten können, bevor sie unterbrochen werden. Nach dieser Störung dauert es allerdings 8 Minuten, bis sie sich wieder ganz in ihre Aufgabe vertieft haben, um dies ja nach 3 Minuten schon wieder für die nächste Störung zu unterbrechen. Nach dem tiefen Einarbeiten in eine Aufgabe, kann man meist nach einer Unterbrechung nicht genau dort wieder ansetzen, sondern braucht erst einmal wieder Zeit, in das Thema zu finden. Klar ist damit auch, dass nicht nur der ja eh schon nicht natürliche Fokus leidet, sondern auch die Arbeitsqualität, die in diesen wenigen Minuten zu bewältigen ist. Es ist auch zu beachten, dass eine einmalige Störung nicht die Ursache für Konzentrationsstörungen ist, sondern die Fülle an Ablenkungen über den Tag verteilt. Und wie immer sei gesagt, dass das Ausmaß von Mensch zu Mensch verschieden ist, da wir alle erstens unterschiedlich gut damit umgehen können und zweitens, sich alle in unterschiedlichen Arbeitsbedingungen befinden. Natürlich hält sich die Welt nicht an diese 11 Minuten und somit werden wir ununterbrochen unterbrochen.
Die gute Nachricht dabei ist jedoch, dass Konzentration und Fokus erlernt werden kann und somit Hoffnung für all diejenigen da draußen besteht, die dachten, sie seien für immer dem Multitasking ausgesetzt und müssten sich wie eine Maschine verhalten.
Und was passiert nun im Gehirn?
Erst aber einmal zurück mit dem Blick, was da in unserem Gehirn passiert. Ich beziehe mich weiter auf die Studienlage, die nämlich besagt, dass es noch weitere gute Gründe gibt, sich dem Multitasking hinzugeben abgesehen von dem Druck des Marktes oder dem Wunsch schnell zu antworten. Unser Körper schüttet nämlich bei dem Bedienen von Anfragen und dem Reagieren auf Telefonate oder Nachrichten das Glückhormon Dopamin aus, was wiederum unser Belohnungssystem speist. Viele Menschen sind ja gern damit beschäftigt, sich dafür zu loben, wie viel sie geschafft und abgearbeitet haben. Das Belohnungszentrum freut sich jedes Mal, wenn wir zwischen den Aufgaben wechseln, weil dann Impulse freigesetzt werden, die unsere Glückgefühle steigern lassen.
Unsere Aufmerksamkeit richtet sich daher gern und schnell auf dieses glänzend Neue (Zerstreuung).
Ironischerweise leidet gleichzeitig ein anderer Teil unseres Gehirns am meisten. Nämlich der, der dafür zuständig ist, uns zu konzentrieren. Neurobiologisch gibt es nämlich gar kein Multitasking. Das Gehirn kann sich maximal auf zwei komplexere Aufgaben gleichzeitig konzentrieren. Atmen, Wahrnehmen und Denken sind an sich schon sehr komplex.
Multitasking ist also nur eine Illusion und das Hirn wechselt einfach schnell zwischen den Aufgaben hin und her und das Ergebnis- man bekommt nur die Hälfte mit oder kann nur die Hälfte der wirklichen Kapazität nutzen und damit die Hälfte der Leistung erbringen.
Und was ist mit dem MultitasKIND?
Nun wissen wir ja bereits, dass das Gehirn lediglich zwischen zwei Aufgeben schnell hin und her wechselt und das passiert in einem Teil des Hirns, dem Präfrontalen Cortex. Da dieser Bereich sich erst ab Ende der Jugendzeit herausbildet und im Alter auch wieder abnimmt, ist es Kindern und älteren Menschen noch weniger möglich Multitasking zu betreiben. Hier sei noch ein Plädoyer für ältere Menschen und Kinder hinten angestellt: Seid geduldig mit älteren Menschen, die dennoch so mutig sind, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen und mit Kindern, wenn sie mal wieder nicht zuhören, weil sie so sehr ins Spiel vertieft sind.
Wieso sind Eltern/ Bezugspersonen dann Eierlegendewollmilchsäue?
Multitasking funktioniert dann, wenn Routineübungen involviert sind. Wenn also die eine Bezugsperson, sowohl die Kinder anzieht, als auch die Einkaufliste im Kopf durchgeht und auch dabei noch Gespräche mit dem Partner/ der Partnerin über die Tages To Dos führen kann, dann liegt es wohl daran, dass diese Tätigkeiten schon so oft durchgeführt wurden, dass sie im Langzeitgedächtnis abgespeichert sind und somit als Routine abrufbar sind.
Was bedeutet das nun für die Projektarbeit?
“Duotasking” und Projektarbeit passt also bestens zusammen von den Anforderungen her, aber schadet dem Gehirn und kann auf Dauer zu Überlastung führen. Es braucht also ein neues Verhalten eines jeden Individuum. Mehr von “sich zuerst die Sauerstoffmaske aufsetzen” und aus alten Mustern ausbrechen. Und wie? Es braucht Prioritäten. Erarbeite dir zu Arbeitsbeginn eine Liste der Dinge, die über den Tag anfallen und priorisiere sie für dich sinnig. Probiere mal neues aus in dem du Zeiten festlegst für zum Beispiel das Bearbeiten von Mails oder bitte um Hilfe, zum Beispiel für das Erledigen von Aufgaben, die du nicht persönlich erledigen musst, wie zum Beispiel Telefonate. Und zu guter Letzt: nimm deine Bedürfnisse so ernst, dass du dich bei Überlastung an jemanden wendest und Bescheid gibst, wenn das Pensum für dich nicht mehr machbar ist, ohne, dass es sich dauerhaft auf deine körperliche und geistige Gesundheit auswirkt. Sage also öfter mal NEIN.
Probiere es doch mal aus!
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