Was gab es nicht schon für Ideen, Prozesse, Methoden und Tricks, um die strategischen Ziele der Führung mit den Mitarbeitenden zu teilen. Besonders nach schlechten Erfahrungen wird dem Neuen entweder eine verheißungsvolle Wirkung zugesprochen, es wird darauf verwiesen, wer alles mit diesem Heilmittel zu Erfolg gekommen ist oder es wird abgetan als “alter Wein in neuen Schläuchen”.
Aktuell ist so ein Thema: Objective Key Results, kurz OKR. In diesem Fall ist die Rede meist von Google, das wohl auch mittels dieser Methode unsagbar erfolgreich geworden ist. Manchmal wird auch Intel erwähnt. Seltener jedoch liest man von Peter Drucker, dem Autor unzähliger Klassiker der Management-Literatur. Denn, vermeintlich lösen die viel gelobten OKR das alte Management by Objectives von Peter Drucker ab.
Management by Objectives (MBO) entsprang der Beobachtung von Drucker, dass unterschiedlichste Expert*innen in einem Unternehmen nur dann erfolgreich zusammenarbeiten können, wenn sie gemeinsame Ziele haben und sich über diese verständigen. Zentral war für ihn, dass untereinander ein Verständnis entwickelt wird, wie die eigene Arbeit die Ziele der Kolleg*innen oder Nachbarabteilungen unterstützt. Der Gedanke war in den 50er Jahren revolutionär. Nicht nur arbeiten nach Anweisung, sondern eine Verknüpfung der eigenen tagtäglichen Arbeit mit dem großen Ganzen der Organisation. Drucker ging es darum, über die Ziele des Unternehmens ins Gespräch zu kommen und daraus abgeleitet, Ziele für die eigenen Arbeit zu entwickeln. Wie wir heute wissen, hat er die Fähigkeit oder die Bereitschaft zu diesem Austausch überschätzt. In der Realität sah und sieht MBO so aus, dass sich ein Management Team einschließt, Ziele für das kommende Jahr definiert. Die beschlossenen Ziele werden dann der Organisation vorgelegt. Kommunikation und Austausch sehen anders aus.
Die Weiterentwicklung der Drucker‘schen Idee nennen wir heute OKR. Diese setzen da an, wo Druckers Methode an der Realität gescheitert ist. Teams leiten aus der Strategie ihre Ziele mit eigenen Worten ab und verankern sie strukturell. Der Kern hierbei ist der offene Austausch darüber und die echte Diskussion über die Inhalte. Es geht nicht darum, ein weiteres Reporting- oder Kontrolltool zu etablieren, sondern um ein gemeinsames Verständnis darüber zu entwickeln, wohin es gehen soll. Erst dann ist die viel gewünschte Verantwortungsübernahme möglich. Gleichzeitig ist auch hier der Frust am Horizont erkennbar, wenn nicht sogar schon durch die Tür. Denn egal ob MBOs, OKR oder andere neue Methoden, wie auch immer der Name sein mag: es geht nie um die Methode oder den Prozess.
Es geht immer, wirklich immer darum, WARUM und WIE eine Methode angewendet wird und, Überraschung: Ohne echte Kommunikation, also Austausch miteinander, funktioniert das beste Framework nicht. Richtig verstandene Frameworks sind letztlich nichts anderes als Rahmen, um Kommunikation anzuregen und zu organisieren.Wer eines dieser Frameworks anwendet, sich dem Austausch, den Rückfragen aber verweigert, produziert recht zuverlässig Frust und wird wenig Erfolg haben.
Die sechs Prinzipien für erfolgreiche OKR
Beim Netzwerkknoten haben wir sechs Prinzipien identifiziert, um die es in der erfolgreichen Arbeit mit OKR geht:
1. Die strategischen Ziele des Unternehmens müssen kommuniziert werden
Auch hier geht es nicht, um die perfekte Formulierung oder die schönste Powerpoint Folie, hier geht es vielmehr darum, eine Plattform zu schaffen und miteinander ins Gespräch zu gehen. Die besten Ziele abgelegt auf einem Ordner im Sharepoint werden sicher keine Motivation sein, diese im Alltag einzusetzen und zu fokussieren.
Tipp: Schriftlich ist gut, persönlich ist besser. Die Zeit und der Aufwand lohnen sich, da eine direkte Kommunikation unersetzlich ist, um Missverständnissen vorzubeugen.
2. Diese Ziele sollen verstanden werden
Um das zu ermöglichen, muss es zu einem echten Austausch über diese Ziele kommen. Sie müssen hinterfragt, mit mehreren Varianten der Erklärung versehen und dann von jeder einzelnen Person als relevant erachtet werden. Auch wenn das Ziel dann immer noch nicht ein einheitliches Vokabular gefunden hat, auf alle Fälle hat es ein einheitliches Bild bei jede*r Mitarbeiter*in hinterlassen, und das ist das Wichtigste.
Tipp: Abteilungs- und teamübergreifende Kleingruppen mit einer Moderation können hier helfen, eine echte Diskussion zu ermöglichen und die erste Überwindung, die Führungskraft in den Zielen zu hinterfragen, begleiten.
3. Die Ziele sollen Anwendung finden
Dazu müssen sich die Mitarbeiter*innen in den Zielen wiederfinden und ihr Verständnis davon mit eigenen Worten in eine Interpretation und dann an eine ihr Arbeitsumfeld angepasste Zielsetzung gießen. Das bedeutet nicht, dass die Führungskraft oder ein*e Teamleiter*in die Ziele der Teams formuliert. Jede*r soll seine eigenen Ziele finden, da nur dann eine Transferleistung und anschließende Verantwortungsübernahme geschieht.
Tipp: Auch hier müssen die Ziele nicht professionell formuliert sein, der eigentliche Wert liegt darin, dass sich das Team über die Inhalte austauscht und ein einheitliches Bild davon hat.
4. Die Ziele müssen in den Alltag integriert werden
Gerade am Anfang wird es ungewohnt sein, täglich mit den gesetzten Zielen zu arbeiten. Wie bei allem, was neu gelernt wird, ist daher eine disziplinierte Routine sehr hilfreich. Rituale helfen sehr, sich immer mehr in diese Ziele zu verlieben. Ein regelmäßiges Gegenprüfen, ob die Arbeit, die man tut, sich auch im Zielbild wiederfindet, hilft auf der anderen Seite, um den Fokus zu wahren und gegebenenfalls Dinge nicht zu tun.
Tipp: Regelmäßige Check-ins in unterschiedlichen Hierarchiestufen oder auch eine farbliche Kennung am Taskboard können das Mittel zur Wahl sein, nicht nur den eigenen Horizont zu sehen, sondern den Mehrwert zum größeren Bild zu verstehen.
5. Die Wirksamkeit der Arbeit an Zielen soll spürbar gemacht werden
Im Privaten leben wir schon in unterschiedlichen Kontexten das Konzept der OKR. Zum Beispiel beim Sport: Ich stecke mir ein Fitnessziel in Abstimmung mit meiner Trainer*in. Beim Joggen kontrolliere ich regelmäßig, wie viele km ich gerannt bin und wie hoch mein Puls ist, um meine Geschwindigkeit der perfekten Fettverbrennung anzupassen. Ich mache kleine Experimente und schaue, welche Nahrung mir am meisten Wohlbefinden und Muskelzuwachs verschafft. Dafür kontrolliere ich, was ich esse und wie meine Trainingsergebnisse aussehen. Dieses ganze System funktioniert so gut und motiviert, weil die Metriken (Key Results) sehr konkret sind und in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden.
Tipp: Wie oben im Beispiel, sind Key Results nicht nur wertbeschreibende Metriken. Technische Metriken, Lieferzeiten und Wirkungs- und Stimmungsmetriken sind ebenso notwendig, um das Ziel herzustellen und dürfen daher nicht vergessen werden.
6. Die regelmäßige Verbesserung hält auch in diesen Frameworks Einzug
Nur durch eine regelmäßige Reflexion auf die Inhalte und Lieferungen wie auch auf den Prozess, kann sichergestellt werden, dass sich die Organisation in die gewünschte Richtung bewegt. Denn wie alle Methoden und Prozesse, sollte die Umsetzung nicht zum Selbstzweck dienen. Aller Schweiß und Aufwand im OKR Framework sind nur bedingt nützlich, wenn am Ende keine Reflexion passiert und Maßnahmen der Veränderung abgeleitet werden.
Tipp: Hier kann man gut Liberating Structures nutzen. Diese bringen vor allem große Gruppen schnell in eine gemeinsame Diskussion.
Der viel gescholtene alte Wein der Kommunikation, kann also durchaus von den neuen Schläuchen profitieren. Damit der Wein noch schmeckt, sollte man die Schläuche vielleicht ab und an mal überarbeiten und den Gegebenheiten anpassen. Letztlich geht es aber immer um den Wein darin. Und wenn der sauer ist, wird der beste Schlauch nicht helfen, ihn in einen edlen Tropfen zu verwandeln.