Die Netzwerkknoten Unternehmensberatung GmbH feiert in diesen Tagen ihr einjähriges Firmenjubiläum. Im Alltag gehen die gemachten Erfahrungen schnell als gewöhnliche und ungewöhnliche Herausforderungen unter. Eininge wichtige Learnings – vielleicht meine wichtigsten – möchte ich trotzdem gerne zusammenfassen und teilen.
1. Zusammen ist man weniger allein — Wenn möglich, finde jemanden, der den Weg mit Dir zusammen geht.
Das Freelancer-Dasein ist eine Wonne — wenn Du Aufträge hast. Du bist niemandem etwas schuldig, außer Deinen Kunden und dem Finanzamt. Doch was, wenn es beim Kunden einfach keinen Spaß macht, weil Du nicht vorankommst? Was, wenn die Aufträge ausbleiben? Stell Dir einen Tennisprofi vor, der auf einmal kein Match mehr gewinnt und das mit den Wild Cards will auch nicht klappen. Sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen ist eine Mammutaufgabe, der nicht jeder gewachsen ist.
Gemeinsame Gründungen sind Bauchentscheidungen, die risikoreichen Investitionen gleichen: das upside Potential ist sehr groß. Wenn es schief geht, geht es meistens richtig schief. Ich habe das große Glück, dass meine ehemalige Kollegin und gute Freundin Lisa nur (sehr) freundlich lächelte und nickte, als ich sie fragte, ob sie mit mir zusammen eine Beratungs- und Coachingfirma gründen würde. Vom Temperament sind wir grundverschieden und ergänzen uns prima. Unsere Werte und unser Menschenbild sind jedoch deckungsgleich. Das ist ein großes Geschenk. Bei der Überlegung, mit jemandem zu gründen, gib sowohl der gemachten Erfahrung als auch Deinem Bauchgefühl eine Stimme und höre darauf, was die beiden zu sagen haben.
2. Gehe frühzeitig Kooperationen ein. Und bleibe Realist.
Auch hier gilt: high risk, high reward. Kooperationen sind, ähnlich wie private Partnerschaften, hochgradig egoistische Angelegenheiten: das Gefühl, gemocht, geliebt oder gebraucht zu werden ist einfach zu schön, als dass man ein ganzes Leben lang als Einzelkämpfer verbringen wollen würde. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Im Dienstleistungsgeschäft möchte man seinen Kunden gerne alles ermöglichen, selbst wenn die angefragte Leistung nicht zum eigentlichen Kerngeschäft gehört, oder die eigene Kapazität schon längst ausgeschöpft ist. Die langfristigen negativen Folgen werden hierbei dann schnell aus dem Auge verloren: die Qualität der Arbeit – auch der Arbeit aus dem Kerngeschäft – wird sinken, die Unzufriedenheit der Kunden ist vorprogrammiert.
Kooperationen helfen Dir dabei, schwarze Löcher zu füllen und Kapazitätsengpässe zu überbrücken.
Anders als bei der Wahl Deiner Lebenspartnerschaft, ist der Stake Deiner Kooperationspartner in Deine Unternehmungen jedoch denkbar gering. Sei Dir deshalb darüber im Klaren, dass jeder Deiner Kooperationspartner, genau wie Du selbst, nie ausschließlich aus Nächstenliebe handelt, sondern irgendwie das eigene Überleben sichern will. In Mafia-Filmen wird in kritischen Situationen immer mit “It has never been personal, it’s always just business” um Verständnis geworben. Wenn Dein Partner zu langsam ist, wirst Du den Auftrag jemand anderem geben müssen, da Du das Mandat sonst komplett verlierst. Wenn Du zu langsam bist, wirst Du den vom Kooperationspartner in Aussicht gestellten Auftrag nicht bekommen. Nimm’s nicht persönlich. Und sei stets transparent, denn nichts ist so schwer aufzubauen und so schnell zu verspielen wie Vertrauen.
3. Bootstrappe Deine Beratungsfirma. Mit Bedacht.
Eine Professional Service Firm in der Gründung zu bootstrappen ist ein ehrenwerter Gedanke und dieser möchte genau durchdacht sein. Spätestens wenn Du Deine ersten MitarbeiterInnen zu Dir ins Wohnzimmer einladen musst, um Kundenprojekte zu reflektieren, verliert der Lean Startup Gedanke seinen Reiz: wenn Du Glück hast, freuen sich eben jene MitarbeiterInnen darüber, ein derart junges Unternehmen mit aufzubauen und verzeihen Dir, dass die Socken noch neben dem Sessel – der übrigens nicht die Produktivität versprühen mag, die Ihr gerade braucht – vor sich hin liegen. Wenn Du Pech hast, merken sie genau in dem Moment, auf was für eine Wette sie sich eingelassen haben, als sie den Arbeitsvertrag unterschrieben haben und bekommen kalte Füße. Die Liste von Dingen, die Du für den Start wirklich brauchst, bleibt dennoch überschaubar:
- Ein eigenes Büro. Das Büro ist die Wohnung Deiner Firma. Es ist ein Spiegel Deiner Arbeit und soll Dir und Deinen MitarbeiterInnen die Möglichkeit geben, ein Umfeld zu schaffen, in dem Ihr Euch wohl fühlt und gut arbeiten könnt
- Eine Teamassistenz. Wenn Dein Team wächst gibt es niemanden, der Dir so sehr dabei hilft, Deine Gedanken zu strukturieren, wie eine Teamassistenz. Fakt ist, dass Dein Job darin besteht, Deine Kunden besser zu machen. Rechnungen schreiben, Bestellungen machen, Kontakt zu den Behörden aufrecht erhalten ist nicht Dein Job, sondern eine Begleiterscheinung Deines Jobs, die zum überwiegenden Teil Deine Freizeit auffressen. Tun sie das nicht, erledigst Du sie, während Du eigentlich beim Kunden sein und Geld verdienen könntest. Ökonomisch ist das einfach: Solange Du an den Tagen, an denen Du normalerweise Recherche betreibst, Belege sortierst oder mit Ämtern telefonierst, mindestens genauso viel verdienst, wie Du für eine gute Teamassistenz bezahlen würdest, ist es eine sinnvolle Investition. Hinzu kommt die zwischenmenschliche Komponente: mit Jenny und Muriel haben wir zwei Kolleginnen gefunden, die uns nicht nur die Aufgaben abnehmen, die nicht zu unserem Kerngeschäft gehören. Sie sind noch dazu zwei herzensgute Menschen, über deren Anwesenheit im Büro sich jede® einzelne von uns freut.
- Gutes Arbeitsmaterial. Flipcharts und Pinnwände sowie Marker von Neuland. Die originalen Post-Its von 3M. Die Erfahrung zeigt: Kunden wissen es sehr zu schätzen, wenn man mit guten Arbeitsmaterialien anreist und sie nicht auf ihre stets leergeschriebenen oder ausgetrockneten Eddings zurückgreifen müssen, um einem die eigene Situation auf braunem Recyclingpapier zu skizzieren.
- Microsoft Office365. Ich steh auf alles, was mit Apple zu tun hat. Außer die Apple Watch. Und wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich nur noch mit Slack und Evernote arbeiten. Die Wahrheit ist aber, dass 99% der Kunden, die eine gewisse Reife erreicht haben, mit Microsoft arbeiten und Du als Berater in beide Richtungen integrationsfähig bleiben musst. Das Office Paket ist nicht überall wunderhübsch anzusehen, geschweige denn zu bedienen, doch man findet sich zurecht. Du ersparst Dir dadurch spätere Migrationskomplikationen und die nervige Fragerei “welches Dokument wird in welchem System abgelegt oder gepflegt?”
- Eine Direktbank. Auch wenn die Steuerberatung es vielleicht erstmal nicht so toll findet, gibt es gerade im Banking viele neue Angebote, die Dir lästige Gänge in die Filiale ersparen.
- Eine Steuerberatung mit Lohnbuchhaltung. Wenn Du nicht selbst eine Steuerberatung gründest und dich zwangsläufig mit der Materie auskennst, ist das ein typischer Fall von: if there’s somebody who’s better at it, let them do it and be happy to pay them for their services.
Die Liste von Dingen, von denen man glaubt, dass sie zu einem richtigen Unternehmen dazugehören, obwohl das Gegenteil der Fall ist, ist deutlich länger. Ich werde mich kurz fassen.
- Visitenkarten. Bleib lieber im Gedächtnis und verbinde Dich via LinkedIn oder tauscht Telefonnummern aus.
- Briefumschläge mit Firmenlogo. Werden erst relevant, wenn Du einen Kundenstamm aufgebaut hast.
- Merchandise. Really? Merchandise? Für eine Beratung?
- Kugelschreiber mit Firmenlogo. Siehe Merchandise.
- Bürotische für jede(n) MitarbeiterIn. Kaufe lieber einen großen Tisch, an dem Ihr alle Platz habt. Das sorgt für Gemeinschaft. Und einen zweiten Tisch für administrative Aufgaben und den Drucker
Ganz grundsätzlich solltest Du Dir immer die Frage stellen: steigert diese Anschaffung den Wert meiner Firma oder verringert sie die Kosten? Wenn nicht mindestens ein “Ja” dabei herauskommt, solltest Du es bleiben lassen.
4. Feiert zusammen. Und zwar nicht nur die Sommer- und Weihnachtsparty
Unsere erste gemeinsame Feier war die Weihnachtsfeier. Wir haben das große Glück, eine voll funktionsfähige Küche in unserem Büro zu haben. So konnten wir zusammen für unsere Gäste kochen und die Partnerinnen und Partner der KollegInnen kennenlernen. Ich lehne mich nicht sonderlich weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass das jede Firma macht.
Was wir noch nicht beherzigt haben, ist das Vorhaben, auch kleine und größere Erfolge gemeinsam zu feiern: einen unterschriebenen Arbeitsvertrag einer neuen Kollegin, den gewonnenen Auftrag in der Heimatstadt oder einen erfolgreich absolvierten Workshop bei einem treuen Kunden.
Hier ist es wie im ersten Absatz beschrieben: diese Hürden und Erfolge gehen im Trubel des Alltags schnell unter, doch sie verdienen Anerkennung, weil sie für eine ganze Weile ungewiss, zeitintensiv oder sogar nervig waren. Das heißt nicht, dass jedes Mal eine Flasche Dom Perignon aus dem Jahr 1990 geköpft werden muss (please do if you can). Es reicht schon, sich regelmäßig auch bei den kleinen Erfolgen zu fragen: “Was ist mir oder uns jetzt möglich das uns vorher nicht möglich war? Warum ist das toll?”
5. Bestehende Kunden gehen (fast) immer vor neuen Kunden.
Das ist keine Raketenwissenschaft, gehört trotzdem zu den wichtigsten Erkenntnissen. Warum? Weil das ein relevantes Priorisierungsproblem löst: Wie soll ich neue Kunden gewinnen, wenn ich die ganze Zeit bei meinem bestehenden Kunden vor Ort bin? Es gibt, in meinen Augen, kein schöneres Gefühl – in der Arbeitswelt, wohl bemerkt – als wenn Dein Auftraggeber oder die Mitarbeitenden des Auftraggebers fragen, ob Du denn auch weiterhin zu Ihnen kommen würdest. Nicht nur, weil Du Dir durch Deine inhaltliche Arbeit eine Vertrauensbasis aufgebaut. In der Regel wirst Du in so einem Moment auch als Mensch wahrgenommen, mit dem andere Menschen ganz gerne zusammenarbeiten. Du bekommst also fachliche und zwischenmenschliche Bestätigung in einem. Grande!
Doch das eine funktioniert nicht ohne das andere: Du kannst noch so nett und lustig sein, wenn Deine Leistung nicht stimmt, bist Du ganz schnell wieder auf der Straße. Und wenn Du fachlich ein Ass bist, der Nasenfaktor aber nicht stimmt, ist das Ergebnis das gleiche.
Diese Vertrauensbeziehung solltest Du nicht so schnell aufs Spiel setzen. Zum einen, weil es die Unsicherheit auf beiden Seiten deutlich reduziert. Zum anderen, weil Du davon ausgehen kannst, dass auch Deine Kunden ein Netzwerk haben und sich dort über Ihre Erfahrungen mit externer Unterstützung unterhalten. Da bist Du als Springinsfeld, der alle drei Monate woanders aufschlägt, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht Zentrum der Konversation. Bevor Du also versuchst, neue Kunden zu gewinnen, versuche zunächst bei Deinen bestehenden Kunden neue Tätigkeitsfelder zu bedienen.
Und noch etwas ist hier besonders wichtig: wenn Du merkst, dass Dein Kunde aufgrund äußerer Umstände die von Dir erarbeiteten Maßnahmen nicht umsetzen können wird, ist es an Dir, das Mandat zu pausieren oder zu stoppen. Auch wenn es ein Leichtes wäre, weiterhin Tage abzubuchen, wird sich diese Transparenz und Ehrlichkeit mittelfristig auszahlen.
Die Formel “Bestandskunden vor Neukundenakquise” funktioniert, wie schon angedeutet, nur als Priorisierungshilfe, nicht als Mantra. Ohne neue Leads und Intros läufst Du Gefahr, Dein Risiko nicht breit genug zu streuen. In der Selbständigkeit wird dann gerne mit dem Schimpfwort Scheinselbstständigkeit um sich geworfen und Dein Kunde wird dich früher oder später ziehen lassen müssen, damit man ihm keinen Sozialversicherungsbetrug vorwerfen kann. Doch auch als Kapitalgesellschaft musst Du nachweisen können, dass Du einen relevanten Teil Deines Umsatzes bei anderen Kunden erwirtschaftest.
Das waren die ersten fünf Learnings aus einem Jahr Netzwerkknoten. Der zweite Teil kommt nächste Woche.