Was wir gelernt, worüber wir gelacht und was wir vergessen haben – und was wir ganz bestimmt nicht nochmal machen. Jeden Freitag frisch aus dem Berliner Büro.
Auch wenn es niemand hören möchte: die Zahlen steigen. Wir wissen schon, welche. Wir wissen, was das heißt. Weniger Gewissheit, weniger Kontakt, mehr Sorge. Um den Job, die Gesundheit, die Auftragslage, die Familie. Wie mit den meisten Umständen gibt es verschiedene Wege, mit der Sorge umzugehen. Und natürlich gibt es verschiedene Arten der Sorge und verschiedene Haltungen dazu.
In der systemischen Arbeit operieren wir viel mit Perspektivwechseln. Eine Möglichkeit, die Perspektive zu verändern, ist über das Sprechen. Ein Experiment: Wie fühlt es sich an, sich Sorgen zu machen versus in Sorge zu sein? Ein entscheidender Unterschied ist mit Sicherheit, dass viele Menschen sich oft gegenseitig empfehlen, sich mal keine Sorgen zu machen, während ein “Sei nicht in Sorge” nicht nur wegen der Altertümlichkeit der Grammatik schwerer über die Lippen geht. Sorgen können handgemacht oder auch gegebene Zustände sein. Das vornweg: Sorgen sind ernst zu nehmen, wenn auch nicht bedingungslos. Wie lässt sich also mit dieser Art von Zustand arbeiten?
“Es gibt unterschiedliche Gefühle, die in gewisser Hinsicht die Wirklichkeit ausblenden: die Liebe, die Hoffnung und auch die Sorge. Mit der Sorge kommt die Blindheit. Die Welt um einen herum verschwindet. Es regieren nur noch die inneren Dämonen”, beschreibt die Philosophin Carolin Emcke den Mechanismus der Sorge. Das heißt, dass Sorge zwar berechtigt sein kann und gleichzeitig nicht konstruktiv sein muss.
Fürsorge bedeutet Commitment
Dann gibt es da noch eine kleine, sprachlich simple Erweiterung der Sorge und das ist die Für-Sorge. Niemand kann Sorgen einfach wegpusten, während es durchaus möglich ist, sie zu einem ein sinnvolleren Gerüst zu gestalten. Die Fürsorge verlangt als Konzept eine multiperspektivische Haltung: Sie greift für andere, für sich selbst, für konkrete Menschen oder eine Allgemeinheit. Alle von uns können sie ihren Möglichkeiten und Kompetenzen entsprechend einsetzen und sich so aus einer gefühlten Ohnmacht, dem absoluten Nährborden für Sorge, lösen.
Bei all den Werten, die im beruflichen Kontext genannt werden, steht Fürsorge oft eher im Hintergrund. Sie gilt als privat. Man sorgt für seine Kinder, Eltern, Partner*innen und nicht unbedingt für die Kolleg*innen. Dabei kann Fürsorge auch anders in Erscheinung treten als in Form von Hühnersuppe. Mit der Frage nach dem Befinden zum Beispiel, mit Raum zum Gehörtwerden, mit neuen oder wieder aufgenommen Ritualen oder täglicher Checkin-Fragen. Fürsorge bedeutet auch Verbindlichkeit und Commitment – Werte, die den meisten Organisationen als Priorität bekannt sind.