Wie wäre es, wenn Transformation passiert und alle gehen hin? Veränderung aus der Mitte heraus, weil die Mitarbeitenden eigene Ideen zur Veränderung haben. Wandel durch eigene Erfahrungen, anstatt per Ansage durch eine kleine, privilegierte Gruppe, die sich eine schönere Welt ausmalt. Und eine Mitarbeiterzufriedenheit, die während des Veränderungsprozesses nicht abnimmt, sondern durch Aussagen wie „Ich habe mich noch nie zuvor so wirksam gefühlt“, „Ich habe eine ganz neue Seite an meinen Kollegen kennenlernen dürfen“ oder „Mir macht es so viel Spaß mitzumachen“ zunimmt. Genau diese Erfahrung konnten wir gemeinsam mit einem Kunden in der Energieversorgungs-Branche mit der Open Space Agility Methode erleben.
Veränderung bleibt nicht stehen, nur weil Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln die Gesundheit eines jeden Einzelnen schützen sollen. Daher stoppte auch unser Vorhaben nicht durch eine auftretende Pandemie. Die folgenden Beschreibungen wurden teils physisch als auch remote durchgeführt. An den Inhalten ändert sich nichts, nur an der Art der Vorbereitungen und Durchführung von den einzelnen Gesprächen und Workshops.
Erstmal vorbereiten
Der Auftrag war es, eine lernende Organisation zu etablieren, die sich selber regelmäßig hinterfragt und es als selbstverständlich ansieht, sich an ändernde Markt- und Organisationsanforderungen anzupassen, ohne dabei immer wieder Organigramme ändern zu müssen oder ewig neuer Veränderungsinitiativen müde zu werden. Gesagt, getan. Wir erarbeiteten uns Akzeptanzkriterien dieses zukünftigen Zustandes und begannen, die Vision in allen möglichen Situationen der Abteilung mitzugeben.
Nachdem wir den Führungskreisen die Möglichkeit gaben, ihre Bauchschmerzen und Fragen zu dem Vorhaben zu teilen, verloren wir nicht viel Zeit für Diskussionen über mögliche Zukunftsszenarien, sondern kamen schnell ins Erleben, damit wir dann gemeinsam ein einheitliches Bild für eine Reflexion über die gemachten Erfahrungen haben konnten.
Der Prozess
Ziel ist es Freiwilligkeit und Einladung walten zu lassen und damit den Mitarbeitenden das Gefühl der Wirksamkeit und der Mitgestaltung zurückzugeben. Wer könnte besser wissen, was verändert werden soll, als diejenigen, die täglich mit den Prozessen und Produkten arbeiten?
In den Experimenten geht es zum einen um das Erlernen neuer Arbeitsweisen (wie z.B. die Arbeit in Iterationen und mit einer transparenten Arbeitsgestaltung) und zum anderen um das Erfahren und Erleben kleiner Änderungen. Wir möchten Annahmen über eine bessere und effektivere Arbeit in wirkliches Tun übersetzen und dann anhand vorher gewählter Erfolgskriterien überprüfen, ob wir richtig lagen oder ob es für die Organisation vielleicht doch einen anderen Lösungsansatz braucht.
Ich möchte hier einige Lernerfahrungen und Hinweise bei der Durchführung teilen, wohlwissend, dass eine Ausgestaltung je nach Zielstellung und Umfeld auch variieren kann.
Es braucht einen Sponsor und Einladenden
Wichtig ist, dass die leitende Führungsperson als Vorbild voranschreitet und die Einladung zur Teilnahme ausspricht. Um eine möglichst heterogene Gruppe im Open Space zu haben, ist es hilfreich, alle Beteiligten im relevanten System einzuladen. Das Vertrauen auf den Prozess und der damit selbstwirkenden Steuerung des Systems hilft dabei. Sprich: Keine Sorge! Es werden nicht alle Mitarbeitenden der Einladung folgen, sondern nur diejenigen, die Bock darauf haben und die nötigen Kapazitäten freiräumen können. Exakt diejenigen also, die es braucht, um schnell kleine Erfolge inhaltlich wie auch zum Prozess sammeln zu können.
Vertrauen schenken und Mut haben
In diesem Fall könnten diese Buzzwords übersetzt werden mit: Genau, wenn du denkst „das funktioniert niemals“, bist du auf dem richtigen Weg, der eine neue Lernerfahrung bereithält und sei es nur für dich. Hilfreich hierbei ist es, wenn es in der Vorbereitung wenigstens einen gibt, der eine grobe Vorstellung davon hat, wie der Prozess aussehen könnte und somit in der Lage ist, einige der sehr berechtigten Fragen zu beantworten. Auch wenn die Antworten nur bedingt helfen werden, sich das alles vorzustellen. Erst das Machen schafft die Aha-Effekte.
Regelmäßige Reflexion und Geduld
Verwendet die Werkzeuge und Methoden, die ihr gern auch in der Organisation sehen möchtet. In unserem Kontext war es die regelmäßige Retrospektive auf den Prozess. Was haben wir bis hierher gelernt und wo müssen wir unsere Art und Weise der Zusammenarbeit anpassen, weil es nicht mehr die gewünschten Ergebnisse bringt? Ebenfalls ist der Blick auf die eigens gesetzten Metriken (in unserem Fall die vorher festgelegten Akzeptanzkriterien) ein guter Indikator, ob man sich auf das gewünschte Ziel bewegt. Der Prozess soll nicht durchlaufen werden, des Prozesses wegen, sondern weil er hilft einen bestimmten Zustand der Organisation zu erreichen. Hierbei kann man leider keine Zeitstrahlen aufmalen, da jedes System seine eigene Geschwindigkeit für die Integration hat. Auch in der Bewertung von möglichen Lösungen gibt es unterschiedliche Kriterien, sodass es nur über ein trial-and-error Verfahren verprobt werden kann.
Interne Treiber finden
Es hilft direkt mit einer kleinen Gruppe an internen Unterstützern zu arbeiten, die das Thema nicht nur als Ansprechpartner, sondern auch als erste Tester begleiten. Schon direkt im Aufsetzen der Methode können aufgrund von Reaktionen und Fragen dieser Gruppe Anpassungen passieren. Die externe Brille hilft natürlich für einen Perspektivwechsel, für die Impulse zu prozessualen Möglichkeiten und eine erste Sicherheit durch bereits gemachte Erfahrungen bevor dann die eigenen Erfahrungen Sicherheit bieten.
Inhaltliche und prozessuale Führung trennen
Es braucht Coaches, die den Prozess begleiten, nicht nur in der Vorbereitung und Umsetzung des Open Space Workshops, sondern auch dann bei der Durchführung der kleinen Experimente. Gruppen, die zum ersten Mal in einer neuen Form von hypothesenbasiertem und metrikgesteuertem Arbeiten zusammenkommen, hilft es, Führung zu erhalten. Und eine klare Struktur im Außen lässt auch eine eher offene und chaotische Situation im Inhalt eher mal aushalten. Um neue Verhaltensmuster miteinander zu erlernen, hilft ein Spiegel oder ein kleines Pieken von jemandem, der sich bewusst auf den Prozess fokussiert.
Timeboxing an allen Enden
Nicht nur in den einzelnen Workshops und Arbeitssessions, sondern auch in den Rahmenbedingungen der Experimente hilft ein striktes Timeboxing. Die Energien können damit besser gehalten werden und die Überwindung einer Veränderung ist nicht so groß, wenn ich weiß, dass in X Wochen eine Reflexion darauf passiert und auch eine erneute Anpassung geschehen kann.
Und es funktioniert auch wunderbar remote
Der persönliche Schnack und das physische Miteinander bei Workshops kann natürlich durch ein Videocall nicht ersetzt werden. Die Abläufe und der Prozess an sich funktionieren jedoch auch weiterhin. Es bedarf einer erhöhten Aufmerksamkeit der Coaches und ein sensibleres Ohr für die kleinen Nebensätze, die meist auf versteckte Bedürfnisse oder Ängste der Mitarbeitenden hindeuten. Vorbereitung und eine gute technische Infrastruktur sind hier das A und O. Also spart nicht an Lizenzkosten von Videosystemen (wie z.B. Microsoft Teams oder Zoom) und interaktiven Arbeitstools (wie z.B. Miro oder Mural). Es lohnt sich allemal, wenn die Organisationsentwicklung auf einmal von vielen als selbstverständlicher Teil der Arbeit gesehen wird und nicht mehr dieser hohen Rüstkosten für einen Change Prozess bedürfen.
Das Ergebnis ist eine anhaltende Energie, die sich seit anderthalb Jahren weiter im Kollegium ausbreitet und der nunmehr fünfte Zyklus an kleinen Experimenten, die die Abteilung Schritt für Schritt verändert und zukunftsfähig macht.
Wer Lust hat, mehr zu erfahren, kann sich gern bei unserem kostenlosen Meet-up zum Thema am 13.8. einwählen.