Was wir gelernt, worüber wir gelacht und was wir verges­sen haben – und was wir ganz bestimmt nicht noch­mal machen. Jeden Frei­tag frisch aus dem Berli­ner Büro. 

Knoten­an­ek­do­ten — Die Frei­tags­ko­lumne vom Netz­werk­kno­ten. Grafik: Karl Bredemeyer

Wieso zur Hölle sind Entschei­dun­gen so anstren­gend? “Schei­den tut weh.” Was das heißen soll? Nun, Ent-schei­den tragen das Schei­den ins sich, das Tren­nen, das Verlas­sen. Oder, wie’s ein Freund mal formu­liert hat: „Jede Entschei­dung ist ein Massen­mord an Möglich­kei­ten.“ Zuge­ge­ben, die Wort­wahl ist dras­tisch und macht das Entschei­den im ersten Moment nicht sympathischer. 

Gleich­zei­tig illus­triert sie, warum wir oft entschei­den, wie wir entschei­den. Warum wir diesen unge­müt­li­chen Vorgang gerne etwas verkür­zen, ein wenig ästhe­ti­si­se­ren möch­ten. Und dabei geneigt sind, die verschie­de­nen Fakto­ren zu glät­ten, zu redu­zie­ren. Unser Kollege Karl Brede­meyer beschreibt etwa eine Gefahr der Entschei­dung für Agile Frame­works so: „Hinzu kommt, wie so oft, das Risiko, Agile Frame­works als unter­kom­plex einzu­schät­zen und sich zu schnell in die falschen Ursa­che-Wirkungs­prin­zi­pien zu verlie­ben.“ Einfa­che und eingän­gige Ursa­che-Wirkungs­prin­zi­pien sind so eine Illu­sion von Klar­heit und Einfach­heit, die uns über die Komple­xi­tät des Entschei­dungs­pro­zes­ses hinweg­zu­trös­ten scheinen. 

Dabei verha­ken wir uns sehr oft auf der inhalt­li­chen Ebene des Entschei­dens und verlie­ren das Entschei­den als Prozess aus den Augen. Wir tren­nen sozu­sa­gen die Form von Inhalt, was im Falle einer Brot­do­sen und der Stulle darin funk­tio­nie­ren mag, nicht aber bei psychi­schen wie sozia­len Vorgän­gen, die mehrere Fakto­ren und Konse­quen­zen in sich tragen. Häufig unter- oder über­schät­zen wir die Mäch­tig­keit einer Entschei­dung und vor allem verlie­ren wir oft aus den Augen, dass jede Entschei­dung ein Prozess ist und keine einma­lige fixe Hand­lung oder gar eine Wahr­heit, die nun einfach so ist, weil sie so fest­ge­legt wurde. 

Entschei­dun­gen sind nicht immer in Stein gemeißelt

Karl beschreibt eine Folge davon folgen­der­ma­ßen: „Orga­ni­sa­tio­nen, die gerade erst agiles Arbei­ten und Verhal­ten lernen, tendie­ren dazu, Entschei­dun­gen als unum­stöß­lich anzu­se­hen. Sollte man sich also beispiels­weise für Scrum entschei­den und nach drei Mona­ten merken, dass die Rahmen­be­din­gun­gen dafür noch nicht die rich­ti­gen waren, so dauert es in der Regel noch einmal drei Monate, bis diese Entschei­dung wieder rück­gän­gig gemacht wird.“

Und hier kommt dann auch die Erlö­sung von der Massen­mord-Meta­pher. Entschei­dun­gen sind zwar nicht frei von Konse­quen­zen, sie sind dafür situa­ti­ons­ge­bun­den. Wird eine Entschei­dung zu einem späte­ren Zeit­punkt reflek­tiert und gege­be­nen­falls revi­diert, stehen die Möglich­kei­ten nicht mehr eins zu eins so zu Verfü­gung, wie in dem Augen­blick, als sie getrof­fen wurde. Weil Zeit vergan­gen ist, Menschen dazu gelernt haben, das Übli­che. Daraus sind dann mit Sicher­heit neue Möglich­kei­ten und neues Wissen entstan­den, auf Basis derer sich wieder eine situa­tiv sinn­volle Entschei­dung getrof­fen werden kann.

Ganz ehrlich? Viel­leicht ist es das. Vermut­lich spielt der zykli­sche, nicht abge­schlos­sene Charak­ter von Entschei­dun­gen eine große Rolle bei der gefühl­ten Schwie­rig­keit sie zu tref­fen. Wenn ihr mir noch­mal einen Vergleich aus dem Alltag erlaubt: Weil der Film immer dann aufhört, wenn man sich fürein­an­der entschie­den hat. Und, muss ich ja nicht sagen: So einfach isses nicht. Wäre ja auch unfass­bar langweilig.