Nach­dem ich im ersten Arti­kel dieser Serie einen einfüh­ren­den Blick auf die soge­nann­ten „perso­nal risks“ im Compli­ance Manage­ment gerich­tet habe, geht es in diesem Arti­kel um die Gemein­sam­kei­ten, die Agili­tät und Compli­ance Manage­ment mitein­an­der verbin­den. Das durch eine Verknüp­fung agiler Teams mit dem Compli­ance Manage­ment System (CMS) gemein­same Erfolge erzielt werden, wissen wir bereits. Aber was können tatsäch­li­che Gemein­sam­kei­ten dieser Unter­neh­mens­ein­hei­ten sein.

Agili­tät und Compli­ance — Grafik: Karl Bredemeyer

Funk­tio­na­li­tät für die Unternehmung

Sowohl agile Teams als auch Compli­ance Manage­ment sollen einen funk­tio­na­len Charak­ter für die Unter­neh­mung haben, in der sie aktiv sind. „Sollen haben“ ist jedoch zugleich bewusst als Einschrän­kung gewählt. Nicht immer gelingt es, die Team­mit­glie­der agiler Teams in der Form für das Projekt zu befreien, wie es notwen­dig wäre. Nicht immer ist die Kultur einer Unter­neh­mung bereit, agiles Arbei­ten unter­stüt­zen zu können. Einen Mitar­bei­ter zum Product Owner oder Scrum Master zu „erhe­ben“ und damit zu hoffen, dass schon alles gut werden wird, führt genauso wenig zum Erfolg, wie sich der Illu­sion hinzu­ge­ben, dass mit der Einrich­tung eines Kanban-Boards alle Mitar­bei­ter wissen, was von wem bis wann zu erle­di­gen ist. Bezo­gen auf ein CMS wäre das so, als ginge man durch die bloße Einfüh­rung davon aus, dass ab sofort alle Mitar­bei­ter alle Normen einhal­ten werden. Es ist jedoch auch auf Seiten des Compli­ance Manage­ment eine Funk­tio­na­li­tät für die Orga­ni­sa­tion nicht immer auto­ma­tisch gege­ben. Nicht zuletzt durch eine mögli­che „Regu­lie­rungs­wut“ kann das Ziel einer Orga­ni­sa­tion, deren Mitglie­der sich ausschließ­lich compli­ant verhal­ten, in Dysfunk­tio­na­li­tät oder gar Zerstö­rung umschlagen.

Mix them toge­ther and win

Dass gut gemeinte, aber schlecht ausge­führte Metho­den die Errei­chung eines erstre­bens­wer­ten Zustands behin­dern oder ggf. verhin­dern können, gilt es zu vermei­den. Um die Wahr­schein­lich­keit des Erfol­ges eines Projekt­teams zu erhö­hen, zielt daher der agile Ansatz auf cross­funk­tio­nale Teams ab, in welchen sich die einzel­nen Mitglie­der gegen­sei­tig durch ihre jewei­li­gen Schwer­punkte unter­stüt­zen und moti­vie­ren können. Im Bereich des CMS ist dieser Ansatz bisher leider noch nicht so ausge­prägt. Compli­ance Offi­cer (CO) sollen möglichst eine juris­ti­sche Ausbil­dung genos­sen haben, da sie so über Normen und Regel­ka­ta­loge am besten Bescheid wüss­ten. Aller­dings wächst bei Akteu­ren, die bereits länger im Bereich CMS aktiv sind, auch die Erkennt­nis, dass zum Erken­nen von Dysfunk­tio­na­li­tä­ten weni­ger eine spezi­fi­sche Berufs­aus­bil­dung denn viel­mehr ein Wissen über orga­ni­sa­tio­nale Zusam­men­hänge sowie ein Gespür für Teams und deren Zusam­men­spiel wich­tig ist.Der gute CO muss also nicht Jurist sein, um zu wissen, welche Gesetze im Bereich des Tätig­keits­fel­des seiner Orga­ni­sa­tion Gültig­keit haben. Ein funk­tio­na­les Compli­ance Team besteht daher auch nicht ausschließ­lich aus Juris­ten, sondern setzt sich neben Juris­ten aus Perso­nen ande­rer Fach­rich­tun­gen zusam­men. Die Team­mit­glie­der müssen einschät­zen können und z.T. wissen, wo sie ihre Infor­ma­tio­nen über Neuig­kei­ten und Entwick­lun­gen inner­halb der Orga­ni­sa­tion einho­len können. Zudem müssen sie, um der Gefahr der Über­re­gu­la­tion zu wider­ste­hen, im inter­nen Austausch verschie­dene Rollen einneh­men können. Darüber kann sich das für die Orga­ni­sa­tion funk­tio­nale Compli­ance Team ein realis­ti­sches Bild über enrol­lement, sinn­volle Regel­ka­ta­loge, Prozess­op­ti­mie­rung und viele weitere Themen machen. Zudem arbei­tet es im Gleich­klang mit bestehen­den Teams und verhin­dert somit Redundanzen.

The shel­ter from above

Es ist die übli­che Weis­heit, dass neue Ideen und Entwick­lun­gen inner­halb einer Unter­neh­mung nur so gut umge­setzt werden können und Umset­zung finden, wie es durch die Führungs­etage geför­dert wird. Es verhält sich mit den beiden hier ange­schnit­te­nen Themen­be­rei­chen nicht anders. Ein agiles Team, dass bei den Leads um perma­nente Aner­ken­nung kämp­fen muss und anstelle freier Wege nur viele Steine vorfin­det, ist ebenso zum Schei­tern verur­teilt, wie ein CMS, dass keine Möglich­kei­ten zur Entwick­lung einer orga­ni­schen Compli­ance erfährt. Es genü­gen kurze kommen­tie­rende Sätze in Meetings, um lang­wie­rige Anstren­gun­gen eines ganzen Teams in kurzer Zeit zunichte zu machen. Auf der ande­ren Seite bedarf es eines langen Atems und genü­gend Vertrau­ens­vor­schus­ses, um sowohl agile Teams als auch CMS auf ihrem Weg zu stär­ken und wach­sen zu lassen. Ich plädiere an dieser Stelle an jeden Entschei­dungs­trä­ger sich lieber für die schein­bar agile/multifunktionale Unge­wiss­heit als den schein­bar siche­ren stati­schen, hier­ar­chi­schen und auf den ersten Blick einfa­che­ren Weg zu entschei­den. Nach einer kurzen Anlauf­zeit werden Sie sehen, wie wert­voll Ihre Entschei­dung für die Unter­neh­mung war.

Same same but different?

Last but not least arbei­ten agile Teams und ein funk­tio­na­les CMS nach den ähnli­chen Maßga­ben. Sie sind beide dazu ange­hal­ten komplexe Sach­ver­halte in greif­bare Ergeb­nisse zu über­füh­ren. Sie stehen dabei immer wieder vor der glei­chen Aufgabe, das Große, Unüber­sicht­li­che in ein MVP zu über­füh­ren, mit welchem die ersten Schritte auf einer langen Reise gegan­gen werden können. Dabei wäre es für die Compli­ance zu prüfen, ob es in agilen Umge­bun­gen nicht auch für das CMS lohnens­wert ist, nach agilen Metho­den zu arbei­ten. Durch die vorlie­gende Komple­xi­tät und die zu lösen­den Aufga­ben wäre dieses Vorge­hen für das ein oder andere zu entwi­ckelnde CMS mit Sicher­heit vorteilhaft.

Was bleibt?

CMS und agile Teams sind defi­ni­tiv kein Gegen­satz­paar. Aufgrund der Umge­bung, in welcher beide unter­wegs sind, stehen sie viel­mehr auf der glei­chen Seite und sehen sich den glei­chen Anfor­de­run­gen ausge­setzt. Beiden kommt auf der Ebene der Gesamt­or­ga­ni­sa­tion zudem eine große Verant­wor­tung zu. Dabei haben beide zunächst einen unter­schied­li­chen Ausgangs­punkt. Erfolgt die Instal­la­tion eines CMS aus der recht­li­chen Verpflich­tung der Orga­ni­sa­tion heraus, trans­pa­rente Struk­tu­ren zu schaf­fen, anhand derer Nach­voll­zieh­bar­keit und Über­sicht­lich­keit entste­hen, so ist die Instal­la­tion agiler Arbeits­wei­sen und agiler Teams eine – in eini­gen Märk­ten nur schein­bar – frei­wil­lige Handlungsentscheidung. 

Beiden Themen­fel­dern ist jedoch gemein, dass sie sich ihre Akzep­tanz nur über eine orga­ni­sche Einflech­tung in die Orga­ni­sa­tion erar­bei­ten können. Daher sollte – was keine neue Erkennt­nis ist – beson­ders auf diesen Aspekt ein beson­de­rer Fokus gelegt werden, wie es durch die Consul­tants des Netz­werk­kno­tens geschieht. Denn rich­tig durch­ge­führt, können sowohl agile Teams als auch CMS ein wahrer Boos­ter für eine Unter­neh­mung sein. Durch sie können aus Damo­kles­schwer­tern Chan­cen und Entwick­lun­gen erwachsen.