Durch Corona wurde remotes Arbeiten zur Alltäglichkeit. Auf Grund der pandemischen Gefahrenlage war der Wechsel zu diesem Konzept sowohl gesundheitlich vernünftig wie auch wirtschaftlich in vielen Fällen alternativlos.
Zwar entspannt sich seit kurzem die Situation, das neu erlangte Wissen über die Machbarkeit des remoten Arbeitens bleibt jedoch. Während manche Unternehmen die Prä-Corona Zeiten mit Anwesenheitspflicht, nine to five o.ä. wieder herbeisehnen, denken andere Unternehmen darüber nach, ihre Büroflächen zu verkleinern, anderweitig nutzbar zu machen oder genau definierte Arbeitszeiten ganz abzuschaffen. Es stellt sich heraus, dass nicht nur Unternehmen sehr unterschiedlich mit den Erfahrungen aus den „Work From Home“ Zeiten umgehen, auch bei den Arbeitnehmer*innen gehen die Meinungen darüber auseinander, in welchem Ausmaß sie die Möglichkeiten der remoten Arbeit in Zukunft nutzen möchten.
Eine Formulierung, die im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Bedürfnissen von Arbeitnehmer*innen und Unternehmen immer wieder fällt, ist die des hybriden Arbeitens.
Untersuchungen zeigen, dass 70 % der Unternehmen – von sehr kleinen bis hin zu großen multinationalen Unternehmen wie Google und Citi – planen, sich in irgendeiner Form von Hybridarbeit zu bewegen. So weit so logisch. Viele Manager*innen und Unternehmen sind auch schon so weit, ihre Mitarbeite*innen wie mündige Erwachsene zu behandeln und ihnen selbst die Entscheidung zu überlassen, an welchen Tagen sie ins Büro kommen möchten und an welchen nicht. Auch dies schien mir auf den ersten Blick vernünftig.
Inwieweit kann hybride Arbeit nachteilig sein? Und für wen?
Vor kurzem habe ich einen Artikel gelesen, der mir noch weitere Betrachtungsmöglichkeiten aufgezeigt hat und dem gerade beschriebenen Ansatz aus zwei Gründen widerspricht.
Erstens, wenn einige Mitarbeiter*innen im Büro arbeiten und einige zu Hause arbeiten, können Unternehmen eine Büro In- und eine Out-Gruppe entwickeln. Wie schon in unserem Artikel Das Büro ist ein Weg, aber nicht der einzige Weg! beschrieben, ist die Interaktion an der Kaffeemaschine zwar auch remote abbildbar, es ist jedoch nicht das Gleiche. Und Personen, die sich täglich im Büro sehen, können ein anderes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln als jene die überwiegend von zu Hause aus arbeiten. In diesem Zusammenhang wird außerdem eine Studie aus dem Jahr 2014 beschrieben, die deutlich macht, dass Personen, die von zu Hause aus arbeiten, nach 21 Monaten eine (50%) niedrigere Beförderungsrate haben als ihre Kolleg*innen, die während dieser Zeit im Büro gearbeitet haben.
Zweitens, die Menschen, die nach der Pandemie von zu Hause aus arbeiten wollen, sind nicht zufällig. Mehr als 30.000 Amerikaner*innen wurden seit Mai 2020 monatlich befragt, in welchem Verhältnis sie nach der Pandemie weiter von zu Hause aus arbeiten möchten. 32% der Befragten gaben an, dass sie alle fünf Tage der Woche im Home Office bleiben möchten. Diese Gruppe besteht überwiegend aus Beschäftigten mit jungen Kindern, die eher außerhalb leben. Die nächstgrößere Gruppe mit 21% steht dem genau entgegen und möchte am liebsten jeden Tag der Woche ins Büro kommen. Diese Gruppe besteht überwiegend aus Singles oder kinderlosen Paaren in Innenstadt Nähe.
Bei noch genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass in der Gruppe von Uni Absolventen mit jungen Kindern die Frauen fast 50% häufiger angaben, fünf Tage die Woche von zu Hause aus arbeiten zu wollen als Männer:
Dies beschreibt der Autor des Artikels, Nicholas Bloom, als besorgniserregend, wenn wir bedenken, dass Personen die Vollzeit von zu Hause aus arbeiten eine 50% niedrigere Beförderungsrate haben.
Eine Entwicklung in der junge, single Männer Vollzeit im Büro arbeiten und dadurch höhere Chancen auf Erfolg beziehungsweise Beförderungen haben, während Familien mit jungen Kindern und insbesondere Frauen dementsprechend benachteiligt werden, würde einen Verlust an Vielfalt bedeuten und könnte sich zusätzlich als rechtliche Zeitbombe für Unternehmen entwickeln.
Was also tun?
Der Verfasser der Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitenden nicht die freie Wahl lassen sollten, an welchen Tagen sie von zu Hause aus arbeiten. Der oder die Vorgesetzte könnte zum Beispiel festlegen, dass mittwochs und freitags von zu Hause aus gearbeitet wird und der Rest der Woche aus dem Büro. Die einzigen Ausnahmen sollten neu eingestellte Mitarbeiter*innen sein, die das erste Jahr einen Tag mehr aus dem Büro heraus arbeiten, um die Kollegialität mit den anderen neu eingestellten Mitarbeiter*innen zu fördern.
Selbstverständlich sollte das Unternehmen, die Tage an denen aus dem Büro gearbeitet wird, abteilungsübergreifend und gut planen. Ansonsten wären die Büroräume montags und freitags wahrscheinlich leer und die restlichen Tage überfüllt. Es sollte auch darauf geachtet werden, dass Teams, die viele Schnittmengen haben, mindestens einen Tag der Woche gemeinsam im Büro vor Ort sind.
Fazit
Die Pandemie hat die Art wie wir arbeiten verändert und die Forschung zeigt, dass diese Veränderung Mitarbeiter*innen produktiver und glücklicher machen kann. Gleichzeitig kann es schwer sein durch diese Veränderung zu navigieren. Ich selbst wäre nicht auf die Idee gekommen, dass es Auswirkungen auf die Vielfalt in einem Unternehmen haben kann, wenn die Mitarbeiter*innen selbst entscheiden, wann sie von zu Hause aus und wann sie aus dem Büro heraus arbeiten wollen.
Wir selbst würden den Empfehlungen des Autors der Studie nicht uneingeschränkt folgen und gleichzeitig glauben wir daran, dass das Wissen über die hier beschriebenen Aspekte den Teams dabei helfen kann, eine für sie passende und dabei inklusive Arbeitsweise zu etablieren.
Was ist eure Meinung dazu? Wie seht ihr die beschriebenen Herausforderungen?
(Quelle: https://hbr.org/2021/05/dont-let-employees-pick-their-wfh-days)
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