In meinem letzten Beitrag, dem Auftakt für diese Mini Serie von Blogartikeln zum Strategiebegriff, habe ich die Design School und die Planning School vorgestellt. Beide Ansätze kommen, vor allem wegen ihrer strikten Trennung von Strategieformulierung und ‑umsetzung sowie der Kurzlebigkeit von sorgfältig erdachten Plänen im allgemeinen, bei Mintzberg nicht besonders gut weg. Im zweiten Teil stelle ich euch die Positioning School vor.
3. Die Positioning School
Ging es in der Planning und in der Design School noch darum, eine für die jeweilige Organisation einzigartige Strategie zu formulieren ist der Anspruch der Positioning School ein anderer: Unter der Zuhilfenahme vom analytischen Handwerkszeug, das bereits in den beiden anderen Ansätzen zum Einsatz kommt, gibt es eine begrenzte Anzahl klar benennbarer Strategien – also Positionen im Markt, die, je nach Ausgangslage der Organisation erstrebenswert sind.
Diese Positionen gilt es dann gegen den Wettbewerb zu verteidigen. Die Strategien lassen sich grob in Kategorien wie beispielsweise Produktdifferenzierung, Kostenführerschaft oder Marktumfang einordnen.
Auch wenn die Positioning School erst in den 80er Jahren so richtig Fahrt aufgenommen hatte, ist ihr Ursprung deutlich älter. Ihr Auftreten und die Verbreitung wird in drei Wellen unterteilt.
Die erste Welle: Das Militär.
Die bekanntesten Vertreter außerhalb der Wirtschaftswissenschaften sind der chinesische Militärstratege Sun Tzu (ca 400 v.Chr.; The Art of War) und der preußische General Carl von Clausewitz (1780–1831; Vom Kriege. Der gemeinsame Nenner ist Napoleon: Napoleon hat sich an Sun Tzus Schriftstücken bedient und von Clausewitz, einst Kriegsgefangener unter Napoleon, hat dessen Methoden und Ideen aus erster Hand erlebt und verschriftlicht.
Clausewitz hielt unter anderem fest, dass detaillierte Pläne mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbrauchbar seien, da die Unvollkommenheit in der Ausführung, zufällige Ereignisse und nicht zuletzt das zu einem gewissen Grad unabhängige Handeln der Kontrahenten nur unzureichend in die Planung einbezogen werden könnten. Das Delta zwischen Plänen und Realität hat Clausewitz „Friktion.“ Er war der Ansicht, dass man diese Friktion nur mit der Formulierung von Prinzipien oder Maximen verringern könne. Stephen Bungay nimmt diese Gedanken in seinem Buch „The Art of Action“ auf und gibt der Friktion zwischen Plan, Umsetzung und Ergebnis einen Namen: Knowledge Gap, Effects Gap und Alignment Gap.
Ein wesentlicher Bestandteil erfolgreicher Positionierungsstrategien im Militär ist ein umfangreiches Wissen über den Gegner und das Gelände bzw. das Gebiet auf dem die Auseinandersetzung ausgetragen wird. Übersetzt in den Kontext von Unternehmen heißt dies, dass nur jene Firmen erfolgreich sein können, die sich in ihrem Markt(segment) sehr gut auskennen und genau wissen, was der Wettbewerb treibt. Hierfür braucht man Daten. Eine ganze Menge davon.
Aus dem Bestreben, die eigene und die Position im Markt besser zu verstehen ist innerhalb der Positioning School eine zweite Welle entstanden, die vor allem in den 70er und 80er Jahren Fahrt aufgenommen und sich vor allem mit dem Sammeln und der Analyse von Unternehmens- und Marktdaten beschäftigt hat:
Die zweite Welle: Die Suche nach Beratungsgeboten.
Die Analyse von Unternehmensdaten und das Ableiten entsprechender Marktpositionierungen wurde zu einem eigenen Industriezweig und bildete den Grundstein für die Boston Consulting Group. Maßgeblich für Positionierungsempfehlungen auf Grundlage der analysierten Unternehmensdaten waren die aktuellen und zu erwartenden Marktanteile.
Problematisch an dieser und weiterer datengestützter Positionierungsstrategien ist, laut Mintzberg, dass es nur etablierten Firmen überhaupt möglich ist, die benötigten Daten zu erheben.
So hat beispielsweise die BCG Matrix Ruhm und Ehre erlangt in dem sie zum einen eine Unterscheidung in Abschöpfungs- und Wachstumspotentiale ermöglichte und zum anderen Handlung- und Strategieempfehlungen abhängig von der Positionierung einen datengestützten Anker bekommen haben.
Problematisch an dieser und weiterer (z.B. PIMS, BCG Experience Curve) datengestützter Positionierungsstrategien ist, laut Mintzberg, dass es nur etablierten Firmen überhaupt möglich ist, die benötigten Daten zu erheben. Das ist für diese einerseits natürlich ein Vorteil, da sie einen Informationsvorsprung gegenüber kleineren oder jüngeren Firmen haben. Andererseits tauchen aus genau diesem Grund die Daten unbekannter Firmen nicht auf. Diese Firmen agieren damit sozusagen im toten Winkel und können den großen Playern gefährlich werden.
Die dritte Welle: Die Entwicklung empirischer Vorschläge.
Die dritte Welle trieb die zuvor beschriebene datengestützte Positionierung noch einen Schritt weiter: Der zuvor lediglich in Grundzügen vorhandene Ansatz, externen Konditionen mit internen Strategien zu begegnen, wurde nun ausgebaut und systematisiert. Ganz vorne dabei war Michael Porter mit seinem 1980 erschienenen Buch Competitive Strategy Im Kern geht es hierbei um die Analyse von fünf, von außen wirkender Kräfte (Porters Five Forces) auf eine Organisation, also die Struktur des Marktes in dem sich ein Unternehmen befindet:
- Bedrohung durch neue Anbieter
- Verhandlungsstärke der Lieferanten
- Verhandlungsstärke der Abnehmer
- Bedrohung durch Ersatzprodukte
- Intensität der Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern und
- Regierungen als Einflussgröße auf die Branchenstruktur.
Diesen fünf Kräften stellt er fünf Jahre später drei generische Positionierungsstrategien gegenüber: Kostenführerschaft, Differenzierung und Fokus.
Interessanterweise hat Porter bis zu diesem Zeitpunkt nur wenig über die internen Voraussetzungen und Fähigkeiten einer Organisation geschrieben. Mit der Einführung der Value Chain nimmt er erstmals deutlich Bezug zur Design School und integriert die internen Möglichkeiten, strategische Vorteile zu erlangen, mit ein.
Zusammenfassend gehört die Positioning School, laut Mintzberg, zu den einflussreichsten Strategieschulen und er hält ihr zugute, dass sie der Planning School etwas mehr Substanz gegeben hat. Gleichzeitig erhebt er den Vorwurf, dass der Fokus zu stark auf der Analyse von Daten beruhe und somit nicht-quantifizierbaren Informationen (soziale und politische Umstände) wenig bis keine Bedeutung beigemessen wird.
Ein zweiter Kritikpunkt ist, dass es es eine deutliche Tendenz gibt, Stabilität und Marktmacht als strategisch zu begrüßende Ziele zu befürworten was deutlich zu Gunsten großer, etablierter Unternehmen ausgelegt ist. Disruptive und dadurch zunächst kaum messbare Strategien werden es somit schwerer haben, auf die Tagesordnung zu gelangen.
Der dritte Kritikpunkt knüpft beinahe nahtlos an die Kritik der vorherigen Schulen an: „The strategist is supposed to deal in abstractions on paper, detached from the tangible world of making products and closing sales.”
Strategy doesn’t just position a firm in its external landscape, it defines what a firm will be. As strategy has striven to become a science, we have allowed this fundamental point to slip away. We need to reinstate it.
Es zeichnet sich ab, dass Mintzberg und Kollegen mit der strikten Trennung von Strategieformulierung und deren Umsetzung nicht besonders viel anfangen können. Es ist wohl kein Zufall dass er das Kapitel zur Positioning School mit dem Auszug eines Papers von Cynthia Montgomery beendet, die genau diese Punkte aufgreift: “Strategy is not what it used to be—or what it could be. In the past 25 years it has been presented, and we have come to think of it, as an analytical problem to be solved, a left-brain exercise of sorts… Strategy doesn’t just position a firm in its external landscape, it defines what a firm will be. As strategy has striven to become a science, we have allowed this fundamental point to slip away. We need to reinstate it.”
In ihrem Paper Putting Leadership back into Strategy beschreibt sie unter anderem, wie sie es schafft, Teilnehmer des Management Executive Programs an der Harvard Business School mit drei vermeintlich einfachen Fragen aus der Fassung zu bringen:
Wenn deine Firma schließen würde, wem würde das was ausmachen? Und warum?
Welche deiner Kunden würden dich am meisten vermissen. Und warum?
Wie lange würde eine andere Firma brauchen, um deinen Platz einzunehmen?
Sowohl ihre Kritik, als auch die gestellten Fragen bilden in Mintzbergs Buch die Brücke zur vierten Strategieschule: The Entrepreneurial School. Diese stelle ich euch in meinem nächsten Beitrag vor.
Und in der Zwischenzeit überlegt doch mal: Was wären eure Antworten auf die Fragen von Cynthia Montgomery?